August / November 2010
Seit vielen Jahren, nämlich seit Beginn meiner eBay-Zeit, ist mir Familie M. aus Erwitte (Raum Soest) bekannt – mitsamt ihrem Flügel, auf den ich schon entsprechend lange neugierig war. Er wurde nämlich in den 1920er Jahren von der nahezu unbekannten und nur ganz wenige Jahre existierenden Firma Steinmeyer in Berlin gebaut. Nun kam es endlich im August 2010 zur Begegnung. Und siehe da: dieser 180 cm Flügel, der auf den ersten Blick sehr konventionell wirkt und klanglich im Grunde durchaus überzeugt, ist doch in einem Punkt sehr ungewöhnlich und seiner Zeit voraus.
Wenn man den Steinmeyer-Flügel nämlich von unten ansieht, stellt man mit Verblüffung fest, dass er keine Rastenbalken hat. Die gesamten Zug- und Druck-Kräfte der Besaitung werden also weitestgehend nur vom eisernen Rahmen gehalten, unterstützt von einer balkenähnlichen Verstärkung am Hinterende der Mechanik-Lade.
Die rastenlose Klavierkonstruktion wurde m. W. in den frühen 1930er Jahren von der Firma Schimmel patentiert. Rastenlose Schimmel-Klaviere wurden dann in den 50er bis 90er Jahren sehr marktgängig, und auch andere renommierte Firmen folgten diesem Konzept. Inzwischen kehrt man bei Schimmel zunehmend wieder zu den im Klang subtil sonoreren und runderen Rasten-Konstruktionen zurück. Und im Flügelbau hat sich die rastenlose Konstruktion nie wirklich durchgesetzt. Wie dem auch sei: der Steinmeyer-Flügel wurde sicher deutlich vor 1930 gebaut.
Doch zurück in die Jetztzeit: Der Flügel bekam von mir eine Stimmung, vielleicht ganz normal, aber vielleicht eben doch mit intensivem, leicht Hand anlegendem Blick in das eine oder andere klangrelevante Detail; ich könnte es nicht mehr im Einzelnen nacherzählen.
Nach dreimonatiger Bewährungsprobe schrieb mir Herr M. im November 2010 die folgende eMail:
„Hallo Herr Januschek,
nachdem Sie unseren Steinmeyer-Flügel gestimmt haben, macht es wesentlich mehr Spaß, daran zu spielen. Der Flügel hat deutlich an Klangqualität gewonnen. Das merke ich immer wieder aufs neue. Heute z.B. bei den Adventsliedern zum ersten Advent.
Daher nochmal vielen Dank für Ihre gute Arbeit. Wir freuen uns darüber.
Ich hätte nicht gedacht, daß durch „einfaches Stimmen“ der Flügel derart gewinnen kann.
Mit freundlichen Grüßen“